von Andrej Bill ver.di Gewerkschaftssekretär
Die Flughafen Düsseldorf GmbH kündigt einen über mehrere Jahre dauernden Arbeitsplatzabbau an.
Automaten und KI ersetzen Beschäftigte am Flughafen! ver.di-Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen federn teilweise soziale Härten ab.
Die lange angekündigte „Prozessoptimierung“ am Flughafen Düsseldorf beginnt seit diesem Sommer scheibchenweise mit der Umsetzung. Der genaue Arbeitsplatzabbau in der Flughafen Düsseldorf GmbH über den gesamten Zeitraum ist noch unklar: Beschäftigte gehen von über 100 betroffenen Stellen von den aktuell ca. 1.500 Arbeitsplätzen im Gemeinschaftsbetrieb aus. Die Bodenabfertigung bleibt vorerst unberührt von den Maßnahmen.
Starke Mitbestimmung bei technischen Einrichtungen für Beschäftigte
Bei technischen Einrichtungen hat der Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht. Das bedeutet, der Betriebsrat kann bei diesem Thema – anders als bei einer Restrukturierung – gleichberechtigt mit dem Arbeitgeber mitentscheiden. Dabei sind die technischen Überwachungsmöglichkeiten wichtig, die sich durch technische Einführungen für den Arbeitgeber ergeben. Die Liste der Beispiele ist lang, die unter diese Regelung nach §87 Abs.1 Nr.6 BetrVG fallen:
- Videokameras
- Fotokopiergeräte mit individueller PIN für den Benutzer
- Fahrtenschreiber
- biometrische Zugangskontrollsysteme
- Notebooks / Laptops
- stationäre PCs
- Mobiltelefone, Smartphones, Tablets
- Telefonanlagen
- IT-Systeme / EDV-Systeme
- Software-Anwendungen etc.
Bei den Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung musste bei dem Thema daher ein besseres Ergebnis erreicht werden, als zuletzt bei der großen Restrukturierung am Flughafen Düsseldorf; die Verhandlungsposition des Betriebsrats war deutlich stärker.
Zusätzlich fallen nach §§111 ff BetrVG Interessenausgleichsverhandlungen über das „ob“, „wann“ und „wie“ einer Maßnahme an. Dabei spielt der Umfang der Maßnahmenauswirkungen auf die Belegschaft die entscheidende Rolle: ist die Auswirkung unwesentlich und betrifft weniger als 5-10% der Beschäftigten, darf der Arbeitgeber sie ohne Verhandlung mit dem Betriebsrat durchführen. Die Variante „Scheibchentaktik“ ermöglicht dem Arbeitgeber durch die zeitliche Dehnung der Maßnahmenauswirkungen den Versuch einer teilweisen Umgehung des Interessenausgleichs. Dabei ist besondere Wachsamkeit des Betriebsrats geboten.
Neue Betriebsvereinbarungen zum Interessenausgleich und Sozialplan beim Flughafenkonzern
Die getroffenen Regelungen der Betriebsparteien am Flughafen Düsseldorf ähneln in vielen Punkten vergangenen Regelungen. Dennoch empfehlen wir allen Beschäftigten, sie gründlich zu studieren, um die eigenen Rechte und Möglichkeiten zu kennen! Sie stehen allen Mitarbeitern im FDG-Intranet zur Verfügung. Besonders Regelungen zum Ringtausch – also dem Eintausch eines betroffenen Kollegen durch einen Unbetroffenen, der gehen möchte – geben eine wichtige Möglichkeit, soziale Härten abzuschwächen.
So könnte beispielsweise eine betroffene, relativ junge Kollegin im Unternehmen verbleiben, wenn sich ein „ausscheidewilliger“ Kollege in der Nähe des Rentenalters findet. Das letzte Wort für grünes Licht hat dabei aber der Arbeitgeber. Nach unserem Kenntnisstand ist die Zahl der ausscheidewilligen Mitarbeiter mit Altersteilzeit-, Rentenpaket- und/oder Abfindungsregelung als Gegenleistung konzernweit sehr hoch.
Tarifvertrag schlägt Betriebsvereinbarung!
Verschätzt hat sich der Arbeitgeber der Flughafen Düsseldorf GmbH scheinbar bei seinen betriebsbedingten Kündigungsmöglichkeiten nach Einführung neuer, technischer Einrichtungen. Die Betriebsvereinbarung sieht vor, dass betriebsbedingte Kündigungen möglich sind, wenn Qualifizierungsmaßnahmen oder konzerninterne Versetzungen nicht möglich sind bzw. kein Ringtausch stattfinden soll.
Es gilt aber weiterhin der ver.di-Tarifvertrag RatSchTV, der einen erweiterten Rationalisierungsschutz für Beschäftigte regelt. Insbesondere §3 RatSchTV regelt, dass die Suche nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten bei den aktuellen Prozessopbimierungs-Maßnahmen nicht nur auf den eigenen Konzern begrenzt bleiben muss. Stattdessen müssen alle Beschäftigungsmöglichkeiten aller VKA-Arbeitgeberverbandsmitglieder in zumutbarer Umgebung ausgelotet worden sein müssen. Das kann ein Arbeitsplatz in einer Gemeinde, einem Ver- und Entsorgungsbetrieb, einem kommunalen Verkehrsbetrieb etc. sein. Erst wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass es dort keine passenden Stellen für einen betroffenen Kollegen gibt, darf betriebsbedingt gekündigt werden.
Zusätzlich gilt für Beschäftigte, die mehr als 15 Jahre im Konzern arbeiten und das 40. Lebensjahr vollendet haben, nach §5 Abs. 2 RatSchTV ein besonderer Kündigungsschutz. Kündigungen mit dem Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dürfen für diese, langjährigen Beschäftigten im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen nur dann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer einen gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatz bei demselben(!) Arbeitgeber nicht annimmt!
ver.di-Regelung schlägt Scheibchentaktik von Arbeitgebern!
Ob eine Änderung erheblich bzw. wesentlich ist und somit der RatSchTV gilt, ist wie beim Interessenausgleich von der Auswirkung der Maßnahme her zu beurteilen. Eine Rationalisierungsmaßnahme liegt aber laut RatSchTV ausdrücklich auch dann vor, wenn sich aus der begrenzten Anwendung einzelner Änderungen zunächst zwar keine erheblichen bzw. wesentlichen Auswirkungen ergeben, aber eine Fortsetzung der Änderungen beabsichtigt ist, die erhebliche bzw. wesentliche Auswirkungen haben wird!
Zusätzlich gilt, dass eine Änderung, die für die gesamte Verwaltung bzw. den gesamten Betrieb nicht erheblich bzw. nicht wesentlich ist, für einen Verwaltungs- bzw. Betriebsteil erheblich bzw. wesentlich sein kann.
Damit fällt ver.di Arbeitgebern in den Arm, die durch Scheibchentaktik Tarifregelungen und Betriebsratsmitbestimmung aushebeln wollen. Der RatSchTV ist ein großer Erfolg des jahrzehntelangen Kampfes der ver.di-Mitglieder!
Betroffene ver.di-Mitglieder haben die Möglichkeit unsere Rechtsberatung aufzusuchen
Betroffene ver.di-Mitglieder können bei Unsicherheit, ob sie bspw. einem Aufhebungsvertrag mit erhöhter Abfindung zustimmen oder ob sie auf Weiterbeschäftigung bestehen sollten, unsere Rechtsberatung aufsuchen. Auch unsere Vertrauensleute sind umfangreich im Bilde und können eine erste Beratung durchführen. Darüber hinaus kann auch der Betriebsrat konsultiert werden. Entscheidend wird fallabhängig eine kluge Nutzung aller genannten Regelungen sein.
Wichtig ist, dass der Tarifvertrag RatSchTV für Fälle, wie Qualifizierung, Versetzung, Kündigung oder Ringtausch im Zusammenhang mit Prozessoptimierungsmaßnahmen, eine stärkere Verhandlungsposition für Beschäftigte erwirkt. Auch dann, wenn der Arbeitgeber es anders in Betriebsvereinbarungen regeln möchte!